Drug Safety Mail 2019-23

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) vom 30.04.2019

ACE-Hemmer und Lungenkrebs: Kausalzusammenhang nach Bewertung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nicht belegt

ACE-Hemmer werden unter anderem angewendet zur Behandlung von Hypertonie, Herzinsuffizienz und renalen Komplikationen des Diabetes mellitus. In einer epidemiologischen Studie wurde kürzlich über ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko im Zusammenhang mit ACE-Hemmern berichtet (1). Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat daraufhin das Risiko überprüft und sieht derzeit keinen regulatorischen Handlungsbedarf (2).

Hintergrund ist eine 2018 veröffentlichte, große epidemiologische Registerstudie (1), in der eine erhöhte Lungenkrebsinzidenz im Zusammenhang mit ACE-Hemmern im Vergleich zu Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten berichtet wurde (1,6 vs. 1,2 pro 1000 Patientenjahre; Hazard Ratio 1,14 [95 % Konfidenzintervall: 1,01–1,29]) (1). Die Aussagekraft der Studie ist wegen möglicher Verzerrungen („Bias“) und Störgrößen („Confounder“) begrenzt: Patienten, die ACE-Hemmer erhielten, waren älter, häufiger männlich und seltener Nichtraucher. Der sozioökonomische Status, der das Verschreibungsverhalten und das Lungenkrebsrisiko beeinflussen kann, wurde nicht berücksichtigt. Möglicherweise wurden bei Patienten mit ACE-Hemmern Lungenkarzinome häufiger entdeckt, da wegen Husten häufiger Diagnostik erfolgte (1;3-5). Insbesondere angesichts des gut belegten Nutzens von ACE-Hemmern und der nur geringfügigen Erhöhung des Risikos in der berichteten Studie sehen verschiedene Autoren derzeit keinen Grund für eine Änderung der Verordnungspraxis (3-5).

Auch die EMA kommt nach der Bewertung der vorliegenden Studie und anderer verfügbarer Daten zu dem Schluss, dass unter anderem wegen des Risikos von Confounding, verschiedener Formen von Bias und den inkonsistenten Daten aus anderen Studien derzeit keine ausreichende Evidenz für einen kausalen Zusammenhang besteht. Die EMA sieht derzeit keinen Handlungsbedarf zusätzlich zur routinemäßigen Pharmakovigilanz (2).

Literatur

  1. Hicks BM, Filion KB, Yin H et al.: Angiotensin converting enzyme inhibitors and risk of lung cancer: population based cohort study. BMJ 2018; 363: k4209.
  2. EMA: Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC): Minutes of PRAC meeting on 11-14 February 2019. London, 15. März 2019.
  3. Erhöhtes Krebsrisiko durch ACE-Hemmer und Thiazid-Diuretika? Arzneimittelbrief 2018; 52: 84-85.
  4. Erhöhen ACE-Hemmer das Lungenkrebsrisiko? arznei-telegramm 2018; 49: 89-90.
  5. Hausberg M, Trenkwalder P, Weisser B, Krämer BK: Verunsicherung durch potenziell gravierende Nebenwirkungen. Dtsch Arztebl 2019; 116: A 366-370.